Gibt es einen Zusammenhang zwischen Sprachstrungen und Legasthenie?
Kinder mit bestimmten Sprechstrungen zeigen ein erhhtes Risiko fr die Entwicklung eine Lese- und/ oder Rechtschreibstrung (Legasthenie), meint Professor Gerd Schulte-Krne von der LMU Mnchen.1
Die von uns gefhrte Statistik zeigt, dass ber 80% aller leseschwachen Schler, die in unserer Praxis in der Legasthenietherapie waren bzw. sind (ber 800 Kinder in 15 Jahren) eine logopdisch behandelte Sprachstrung hatten.2
Die eigene Analyse lsst sich durch Aussage von Prof. Büttner besttigen, der zufolge bis zu 80% der lese-rechtschreibschwachen Schler Entwicklungsstrungen der Sprache zeigen.3
Es ist bekannt, dass legasthene Schler enorme Probleme bei dem Zuordnen der Schriftzeichen zu den Sprachlauten zeigen.4 Diese Kinder haben oft Probleme im Bereich der phonologischen Bewusstheit.5
Der renommierte Psychologe und Kognitionswissenschaftler Stanislas Dehaene behauptet, dass die Mehrzahl der legasthenen Schler auch an Defiziten im Bereich der auditiven Wahrnehmung6 leiden.
Der Grund dafr liegt offensichtlich darin, dass die Verarbeitungszentren von der Mundmotorik und Sprache im Gehirn dicht nebeneinander liegen und so stark vernetzt sind, dass sie sich ber funktionelle Verbindungen gegenseitig beeinflussen.
Es herrscht bei den Wissenschaftlern die Meinung, dass im Gegensatz zum Hren, Sehen und Sprechen fr das Lesen im menschlichen Gehirn von der Natur kein Platz vorgesehen wurde.7
Das Lesen und Schreiben sieht der Psychologe und Sprachwissenschaftler Kainz als zwei Gebrauchsweisen von Sprache, die erst spt in der Entwicklung des Menschen hinzukamen.8 Genutzt werden fr das Lesen Gehirnareale und Strukturen, die ursprnglich fr lebenswichtige Prozesse wie Sehen, Hren, Sprechen zustndig waren.
Durch Sprechen und Lesen werden bestimmte Vorgnge im Gehirn in Gang gesetzt, die zur Ausbildung dauerhafter Strukturen fhren.9 Im Laufe der Zeit spezialisieren sich beim Schulkind ganze Gruppen von Nervenzellen auf das Lesen, sodass der Leseprozess spter automatisch abluft.
Es muss sich natürlich nicht bei jedem Kind, das sich in einer logopdischen Behandlung befindet, zwangslufig eine Lese- oder Rechtschreibstrung entwickeln.
Nach einer qualifizierten logopdischen Behandlung verschwinden in den meisten Fllen die Symptome der Sprachstrung.
Kommen jedoch weitere Faktoren hinzu, wie z.B. Probleme mit der visuellen Differenzierungsfhigkeit, der Feinmotorik etc. so kann sich bei Kindern durchaus die erwhnte Strung beim Lesen und / oder Schreiben entwickeln. Die erbliche Komponente spielt dabei eine groe Rolle.10
Eine vorschulische Abklrung ist in diesen Fllen besonders wichtig. Eine prventive Behandlung kann den Kindern sehr viel Leid in der Schule ersparen.
Dr. Nina Hellwig
Legatrain Praxis fr Legasthenie- und Dyskalkulietherapie
Dieser Artikel erschien am 4.3.2016 in der Gnzburger Zeitung.
1Vgl. Schulte-Krne, G.: Diagnostik, Symptomatik und Ursachen der lese-Rechtschreibstrung. In: Nervenheilkunde 2012 (7-8) S.529
2Die Daten entstanden anhand der Analyse der rztlichen Gutachten sowie der ausgefllten Elternfragebgen
3Vgl. Bttner, 2009
4Vgl. Dehaene, S.: Lesen. Die grte Erfindung der Menschheit und was dabei in unseren Kpfen passiert. Knaus 2010
5Vgl. Küspert, P. & Schneider, W.:Hren, lauschen, lernen: Sprachspiele für Kinder im Vorschulalter: Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache. Gttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 2003
6Dehaene, S.: Lesen. Die grte Erfindung der Menschheit und was dabei in unseren Kpfen passiert. Knaus 2010 S.275
7Vgl. u.a. Steinbrink, K. & Lachmann, Th.: Grundlagen. Diagnostik. Intervention. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2014
8Kainz, F.: Psychologie der Sprache. Bd. 4 Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1956 S.1
9Vgl. Affolter, F: Wahrnehmung, Wirklichkeit und Sprache. Neckar-Verlag GmbH
10Vgl. Schulte-Krne, G. Ratgeber Legasthenie. Knauer Taschenbuch 2004